06.09.2021 Design, Menschen, Schulhaus-Garderoben

Farbgestaltung in der Architektur: Intuition spielt von Anfang an mit

Nicole Fry und Thomas Hohl führen seit 2003 gemeinsam ein Büro für Farbgestaltung in Zürich. Spezialisiert auf Farbgestaltung in Lebens- und Begegnungsräumen erarbeiten sie Farbkonzepte, die in Harmonie mit den Menschen sind. Nicole Fry ist zudem Fachlehrerin beim SMGV in Wallisellen für Optik und Farbenlehre, Kursleiterin für den Vergolderkurs sowie Dozentin für Farbenlehre an der STF. Thomas Hohl ist Dozent an der STF für die Fächer Konzept, Farbe und Raum sowie Projektarbeit.

Nicole Fry und Thomas Hohl

Beate Kurth

MAKK: Ist die Ausarbeitung Ihrer Farbkonzepte ein intuitiver oder rationaler Vorgang?

Beides. Einerseits bauen unsere Farbkonzepte auf eine gründliche objektive Analyse. Anderseits spielt immer eine gewisse Intuition von Anfang an mit.

Den analytischen Teil versuchen wir schon möglichst sachlich anzugehen. Während dieser Phase studieren wir das Objekt, die Funktion und die Umgebung. Wir führen Gespräche mit den Nutzern, nehmen Bedürfnisse auf und klären allfällige Fragen. In diesem ersten Abschnitt ist es uns wichtig, Informationen zu sammeln und möglichst objektiv zu bleiben. Mit den vielen Jahren Berufserfahrung haben wir gelernt, mit der Intuition umzugehen. Sie belebt den Arbeitsprozess und hat das Potenzial für einen kreativen Weg. Intuition kann aber auch hinderlich sein, um die volle Kreativität auszuschöpfen. Mit Fleiss, Interesse und Leidenschaft können sich oft ganz neue Lösungswege erschliessen. Mit der Intuition ist es eigentlich wie mit dem Talent: Um weiterzukommen, braucht es zusätzliche Anstrengungen.

 

MAKK: Seit 18 Jahren erarbeiten Sie leidenschaftlich Farbgestaltungen. Über 150 Objekte tragen Ihre Handschrift. Erkennt man Hohl&Fry in diesen Objekten oder sind diese in sich unique, also einzigartig?

Die Art und Weise, wie wir arbeiten, mag persönlich sein. Die Resultate sind jedoch so verschieden, wie es unsere Kundschaft ist. Rückblickend ist jedes Projekt in sich logisch nachvollziehbar. Aber allein mit Logik wäre es nicht entstanden. Es ist der kreative Prozess, der uns immer wieder fordert und antreibt.

Nach jedem abgeschlossenem Projekt wir der Tisch abgeräumt, aufgeräumt. Wir beginnen jedes Mal von Neuem mit einem leeren Tisch und weissem Papier. Einzig unsere Persönlichkeit und Erfahrung wechselt zum nächsten Projekt.

 

MAKK: Bauen Sie das Farbkonzept für ein Objekt auf den Menschen auf, die den Raum nutzen, oder sind es die Räume, denen Sie mit Ihren Farben Leben für die Menschen geben?

Wir folgen mit unserer Arbeit grundsätzlich der Architektur. In der Regel werden Räume für den Menschen gebaut und von ihnen erlebt. Uns geht es weniger um die persönlichen Farbvorlieben, sondern mehr um die Bedürfnisse der verschiedenen Bewohner und Nutzer.

MAKK: Achten Sie auf genderspezifische Unterschiede bei der Farbgestaltung oder nehmen Menschen, egal welchen Geschlechts, Farben in etwa gleich auf?

Im Team Hohl und Fry ist ein weiblicher und ein männlicher Part vertreten. Dies wird von unserer Kundschaft geschätzt. Wir sind zwei verschiedene Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Hintergründen. Zusammen suchen wir nach der besten Lösung und wir ergänzen uns gegenseitig.

Farbe hat an und für sich keine inhaltliche Bedeutung. Dies mag jetzt enttäuschen. Eine Farbe besitzt objektive Unterscheidungsmerkmale wie Buntton, Helligkeit und Sättigung. Eine Bedeutung aber erhält die Farbe vom Menschen.

Bei der Interpretation eines Farbreizes spielen physiologische und psychologische Faktoren mit. Das Farbsehen wird von Trend, Mode, Stil und auch Erziehung geprägt. Farbvorlieben und Farbabneigungen verändern sich im Laufe des Lebens. Zum Beispiel haben Kinder eher selten eine Vorliebe für unbunte Farben. Braun und Grau verwechseln sie oft eine ganze Weile. Jugendliche beginnen dann plötzlich Grau und Schwarz zu mögen.

Geschlecht, Alter und Kultur sind Facetten einer Persönlichkeit. Diese gilt es sowieso immer zu respektieren. Der Mensch soll sich in einer Umgebung wohl und ernst genommen fühlen. Ein Farbkonzept darf je nach Situation anregen und auch mal irritieren – jedoch nicht provozieren. Farben und Emotionen gehen Hand in Hand, und dem sind wir uns in jeder Phase einer konzeptionellen Gestaltung bewusst.

 

MAKK: In früheren Epochen wurde viel Farbe am Bau eingesetzt. Dann folgte eine Zeit der weissen Architektur – innen wie aussen. Wo stehen wir heute und wie entwickelt sich die Farbgebung Ihrer Meinung nach in Zukunft in der Architektur?

Unserer Meinung nach wird die weisse Schweiz im Innenbereich weiterhin mehrheitlich weiss bleiben. Mieter übernehmen weisse, renovierungsfreundliche Wohnungen und geben sie auch so wieder ab. Jede Farbwahl verursacht für die Mieter in der Regel Kosten. Einerseits beim Anstrich und anderseits beim rückgängig machen.

Im Aussenbereich wurde es nach dem vielen Weiss mal erst Grau, manchmal bunt – es wechselte zu Brauntönen, jetzt folgen all die Retrostile… aber ganz ehrlich, klasse Farbgestaltung ist selten zu sehen. Oft stimmen die Helligkeiten nicht überein, die Farben konkurrieren die Volumina oder dank dem sehr bunten Farbkleid verändern sich Prioritäten und Ortsbilder.

Im Aussenbereich übernehmen Farbgestaltende auch eine grosse soziale Verantwortung. Farbe erfordert nicht nur Logik, sondern viel Einfühlungsvermögen.

 

MAKK: Inwiefern beeinflusst die Farbgestaltung die Materialisierung der Ausstattung von Räumen?

Eine Farbgestaltung kann wie eine Bühne sein und zum Beleben auffordern. Je nach dem ist die Materialisierung und Ausstattung von Räumen ein Teil des Farbkonzepts. Ein Farbkonzept kann aber auch zu einem späteren Zeitpunkt weiter bespielt werden. Es ist sehr sinnvoll, wenn Farbgestalter möglichst früh in den Planungsprozess einbezogen werden. Denn so können sämtliche Material- und Farbentscheide aufeinander abgestimmt werden.

Interessiert, mehr über Farbgestaltung in der Architektur zu lernen? Wir senden Ihnen das Whitepaper per E-Mail zu!

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Nicole Fry und Thomas Hohl

Nicole Fry und Thomas Hohl sind seit 2003 spezialisiert auf Farbgestaltung in Lebens- und Begegnungsräumen.

Hohl&Fry
Hohl und Fry Farbgestalter GmbH
Herbstweg 48b
8050 Zürich

Mail: mail@hohlundfry.ch
www.hohlundfry.ch
Tel.: 043 499 80 15