Konzentriertes Arbeiten in der Schule ist in der heutigen Smartphone-Welt für Lernende wie auch für Lehrer eine grosse Herausforderung. Wir zeigen Ihnen, wie sich Heranwachsende besser fokussieren können. Mit den gleichen Tipps sorgen auch Erwachsene für mehr Konzentration in ihrem Alltag. Denn es muss nicht immer gleich Ritalin sein.
Die Welt von Kindern und Jugendlichen bietet viele Verlockungen. Hier poppt eine neue Message auf, nebenan probiert jemand ein cooles Game aus und dort krümmen sich einige vor Lachen wegen eines lustigen Films. Ausserdem macht der neuste Klatsch die Runde. Langeweile kommt in der Schule höchstens auf, wenn der Unterricht die volle Konzentration abverlangt.
Aufmerksame Schüler bringen gute Leistungen und sind der Traum aller Eltern. In der Realität haben jedoch viele Mühe, sich zu fokussieren. Manche schaffen es einfach nicht, sich nur einige Minuten einer Aufgabe zu widmen. Belastende Probleme, Unter- oder Überforderung, zu wenig Schlaf sowie Dauerablenkungen durch Smartphones und Co. sind die Hauptgründe für den Konzentrationsmangel. Meist fühlen sich die Betroffenen schlaff und müde, viele von ihnen werden als faule, unwillige Störenfriede abgestempelt – ein Teufelskreis. Dabei würde es sich lohnen, bereits früh mit der Konzentrationsförderung zu beginnen, da diese Fähigkeit auch im Erwachsenenalter von Vorteil ist. Die gute Nachricht lautet: Konzentration lässt sich lernen. Genau genommen muss sie jeder Mensch erst lernen, da sie nicht angeboren ist. Dabei reicht es meist, einige Regeln zu beachten.
Ein wichtiger Konzentrationsförderer ist der Ausgleich durch körperliche Bewegung. Die Universität Halle untersuchte über 16 Monate 15 Grundschulklassen und zeigte auf, dass sich bei einer Erhöhung des wöchentlichen Sportunterrichtes von zwei auf drei Stunden die Konzentrationsleistung der Schüler um bis zu 40% steigerte. Andere Untersuchungen bestätigen diese Tatsache. So stellte das Erziehungsministerium in Kalifornien bei fast einer Million Schulkindern fest, dass sich Bewegungsfreudige besser konzentrieren konnten und somit erfolgreicher waren. Durch die körperliche Bewegung wird das Gehirn besser durchblutet, was die kognitiven Gehirnfunktionen, also die Wahrnehmung, die Erinnerung, das Denken, die Konzentration und das Lernen verbessert.
Zu wenig Schlaf ist erwiesenermassen ein Konzentrationskiller. Verschiedene epidemiologische Studien zeigen, dass Schlafmangel nicht nur die Aufmerksamkeit herabsetzt, sondern auch die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigt. Der Berufsverband der Deutschen Psychologinnen und Psychologen[ii] geht davon aus, dass Müdigkeit zudem ADHS und Legasthenie begünstigt. Mehrere Studien[iii] beweisen ferner, dass Vierbeiner im Unterricht die Konzentrationsleistung begünstigen. Wenn Schüler zwischen den Arbeiten einen Schulhund streicheln oder kämmen können, erhöht sich das Aufmerksamkeitslevel messbar.
Der Rahmen muss stimmen
Jörg Erat, Schulleiter an der Primarschule Neubad in Basel, kennt dieses Thema aus seinem Schulalltag. «Natürlich gibt es Kinder mit Konzentrationsschwierigkeiten, das gehört einfach dazu und das gab es früher auch. Da müssen wir uns von der Schule damit auseinandersetzen.» Was aber kann getan werden, damit sich Lernende im Unterricht besser konzentrieren können? «Erst einmal braucht es Strukturen und Beziehungen. Bei Kindern mit speziellen Bedürfnissen ist die Beziehung oft noch wichtiger, denn sie brauchen einen Rahmen. Solche Schüler hinterfragen oft, ob das, was gestern galt, heute auch noch gilt. Deshalb braucht es diesen Rahmen in Form von klaren Regeln, Abläufen und Ritualen, welche die Lehrer mit der Klasse absprechen. Wenn sich etwas ändert, muss das angekündigt werden. » Auch die Eltern sind gefragt, ihrem Kind ideale Rahmenbedingungen zu bieten. Dies ist jedoch nicht immer einfach. «Viele Eltern sind verunsichert, was den Umgang mit den neuen Medien, z. B. dem Handy anbelangt. Das ist ein Thema, über das wir regelmässig informieren. Für Heranwachsende allgemein, aber insbesondere für die Jüngeren und solche mit Konzentrationsschwierigkeiten ist es wichtig, dass sie ausgeschlafen sind und genügend Bewegung haben. Ausserdem braucht es auch zu Hause einen Rahmen mit Regeln, Ritualen und Strukturen. Wenn das fehlt, merken wir das stark. »
Die wichtigsten Konzentrationsförderer
Damit sich Schüler und Lernende besser fokussieren können, müssen die Rahmenbedingungen zu Hause, in der Freizeit und in der Schule stimmen.
- Was Schüler / Lernende für mehr Konzentration tun können: sich Ziele setzen, denn wer eigene Ziele verfolgt, ist motiviert. Eltern und Lehrer können dabei als Motivatoren auftreten und das Kind führen und belohnen, wenn das Ziel erreicht wurde. Sport, Musizieren sowie Runterfahren mit Meditation oder Power Nap wirken konzentrationsfördernd.
- Was Eltern beitragen können: auf gesunden Lebensstil achten und dafür sorgen, dass der Nachwuchs ausgewogen isst und ausreichend schläft. Den Medienkonsum im Auge behalten. Für genügend Bewegung sorgen: zu Fuss in die Schule laufen lassen und Sportunterricht ermöglichen. Ein Instrument spielen, fördert ebenfalls die Konzentration.
- Wie Lehrer tun können: Das Niveau der Aufgabe an die Schüler anpassen, damit es weder zur Über- noch Unterforderung kommt. Regelmässig einen Stoff- oder Methodenwechsel vornehmen und grosse Projekte in verdaubare kleinere Elemente aufteilen. Smartphones und andere ablenkende Geräte während des Unterrichts abschalten lassen. Die Lernmethode der Schüler erkennen (visuell, auditiv, kinästhetisch) und den Unterrichtsstil dementsprechend anpassen. Öfters auch mal loben, denn das wirkt motivierend. Für Bewegung sorgen: kleine Übungen für zwischendurch oder umhergehen lassen.
- Wie die räumliche Umgebung positiv wirken kann: Reize minimieren, denn nur an einem ruhigen Arbeitsplatz können sich Lernende fokussieren. Loungige Ecken schaffen, in denen Kinder mal abschalten oder in Ruhe etwas lesen können. Mit Farben und Licht ein förderndes Umfeld schaffen. Grün und Gelb wirken konzentrationssteigernd, genügend Tageslicht ebenso. In dunkeln Jahreszeiten helles, bläuliches Licht einsetzen. Weil das Gehirn genügend Sauerstoff braucht, öfters mal durchlüften. Dies gilt insbesondere für kleine Räume. Auf dem Schulgelände Möglichkeiten zum Toben und Rennen schaffen.
- Was Hilfsmittel / Techniken bewirken können: Sanfte Musik kann konzentrationsfördernd wirken. Da dies jedoch sehr individuell ist, gilt es, herauszufinden, ob und welche Art von Musik lernfördernd wirkt. Arbeitsgedächtnis steigern mit Hirnjogging, Denkspielen, wie Memory, Bilderrätsel etc. Runterfahren mit Achtsamkeitsübungen, Meditation und Power Nap in reizfreier Umgebung.
Text und Recherche: Dr. phil. I Stephanie Weiss