Tobias Moser: Herr über 26'000 Stühle

26.06.2020 - Menschen, Schulhaus-Garderoben

Artikel von Beate Kurth

Tobias Moser Herr Ueber 26000 Stuehle 1

Wie hält man das Mobiliar von 60 Schulen über Generationen hinweg aktuell? Tobias Moser, Innenarchitekt und Designer, ist dafür in Basel-Stadt verantwortlich. Bei knappem Raum und straffen Budgets muss er mit seinem Team den Bedürfnissen der rasant wachsenden Schülerzahl gerecht werden und dabei die Ansprüche an zeitgemässe Schulmöbel umsetzen. Wie er den Überblick behält und mit den unterschiedlichen Forderungen von Lernenden, Lehrpersonen, Schulbehörden und Bauvorgaben umgeht, erzählt er im Interview. Und wie seine Möbel den Sprung in die Schule der Zukunft schaffen, die bereits begonnen hat.

MAKK: 60 Schulen in Basel-Stadt, von der Primar- bis zur Berufsschule: Das bedeutet, Sie bewirtschaften mit Ihrem Team rund 26‘000 Schülerstühle und 1700 Schultische. Dazu kommt das Mobiliar in Aulas, Fachzimmern, Aufenthaltsräumen und Lehrpersonenzimmern. Wie erfassen Sie den künftigen Investitionsbedarf bei einer so grossen Anzahl Schulhäuser?

Tobias Moser: Die Schulen werden im jährlichen Turnus angefragt und können ihre Anliegen einbringen. Jedes Jahr wird eine «Tour de Schule» in Basel gemacht, bei der wir die Anliegen jeder Schule aufnehmen. An jedem Standort sind die Schulleitung, die Objektverantwortlichen vom Hochbauamt und der Schulhauswart dabei. Von unserer Abteilung Raum und Anlagen ist ein Vertreter des Mobiliarteams, der Verantwortliche für die Investitionen und jemand von meinem Team vor Ort. An dieser Sitzung werden die Anliegen der Schule erfasst und die Unterhaltsarbeiten und weitere Anliegen besprochen. Anschliessend gilt es, diese Anliegen zu begutachten und an den richtigen und wichtigen Stellen zu investieren.

MAKK: Nach welchen Kriterien aus den unzähligen Angeboten entscheiden Sie sich für einen Lieferanten?

Tobias Moser: Die am häufigsten eingesetzten Produkte werden öffentlich ausgeschrieben. Ab einer grösseren Menge werden die Wünsche und Bedürfnisse in Form von Submissionen, meist mittels eines Mobiliar-Beschriebs erstellt und müssen von den Anbietern angepriesen werden. So entstehen Verträge über mehrere Jahre. Dies ermöglicht einen einfachen Unterhalt und stellt sicher, dass zumindest über eine Generation die gleichen Möbel in den Schulzimmern stehen und zusammenpassen. Mit neuen pädagogischen Ansätzen und neuen Lernformen ändern sich auch die Ansprüche an das Mobiliar. Etwa alle zehn Jahre werden daher die Wünsche und Bedürfnisse der Schulen ermittelt und es entsteht so die Möglichkeit, die Produkte zu erneuern.

MAKK: Steigende Schülerzahlen bedeuten mehr Schulraumbedarf. Gleichzeitig müssen bestehende Schulbauten saniert werden. Wie sieht das in Basel-Stadt aus?

Tobias Moser: Momentan befinden wir uns in einer Hoch-Phase des Schulhausbaus. In Basel entstanden in den letzten Jahren diverse Neubauten und es werden noch einige folgen. Auch temporäre Schulbauten mussten auf Grund der steigenden Schülerzahlen erstellt werden. Im Verlauf der Schulharmonisierung, welche zumindest baulich in den letzten Zügen ist, sind in Basel alle Schulhäuser genau unter die Lupe genommen worden. Teilweise konnten sie mit geringem Aufwand in neuem Glanz erstrahlen. Manchmal wurde es zu einer Herausforderung, wie beispielsweise bei der Betonfassadensanierung an der Brunnmatt-Schule.

MAKK: Wie schaffen Sie den Spagat, die Qualität der Möbel hochzuhalten und gleichzeitig das straffe Budget einzuhalten?

Tobias Moser: Einerseits gibt uns das Gesetz vor, wie wir die Möbel beschaffen müssen und andererseits haben wir die Wünsche der Nutzer. Durch die Submissionen, in denen wir die Produkte bewerten und auch richtig «live» testen können, erreichen wir eine hohe Qualität. Auch preislich erhalten wir gute Angebote, da wir nebst dem qualitativ hochwertigen Produkt auch eine ergänzende Dienstleistung einfordern. Die Produkte müssen langlebig und unterhaltsarm sein. Auf der anderen Seite steht der fordernde Nutzer, der immer wieder neue Wünsche hat und Anpassungen anregt. Oft sind die Wünsche – wie in anderen Lebensbereichen auch – grösser als das vorhandene Geld. Daher werden die Zuteilung der Gelder und die Ausgaben in Budgetsitzungen reguliert und kontrolliert.

MAKK: Wohin entwickelt sich der Schulhausbau der Zukunft bezüglich Ausstattung? Wie werden Sie den unterschiedlichen Vorgaben und Ansprüche von Lernenden, Lehrpersonen, Schulbehörden und Bauvorgaben gerecht?

Tobias Moser: Die Möbel müssen heute immer mehr können. Die unterschiedlichen Lernformen verlangen Flexibilität im Raum und Doppelnutzungen. Zum Beispiel dient ein Zeichenraum nicht nur dem Bildnerischen Gestalten, sondern wird in den freien Zeiten über Mittag oder am Nachmittag als Ess- und Arbeitsraum genutzt. Oder andersrum: Die Essräume dienen der Schule als Gruppenraum. So werden die Räume intensiver genutzt, was sehr sinnvoll ist. Ausserdem sollen die Möbel in jeglicher Form verstellt und in unterschiedlichen Unterrichtsformen wie zum Beispiel Lernateliers und Frontalunterricht eingesetzt werden können.

MAKK: Was ist in den kommenden Jahren die grösste Herausforderung im Schulhausbau und -Unterhalt in Bezug auf das Mobiliar?

Tobias Moser: Früher gab es einfach eine Sorte Tische und eine Sorte Stuhl. Das war relativ einfach zu handhaben. Heute und in Zukunft sind die Ansprüche extrem hoch: Der Wunsch nach verstellbaren und mobilen Möbeln ist stark gewachsen. Damit werden die Produkte aber auch komplizierter und anfälliger für Reparaturen und sind somit aufwändiger im Unterhalt. Auch müssen die Produkte teilweise weiterentwickelt oder neu designt werden. Zudem werden heute Räume vermehrt doppelt genutzt. Es kommt zum Beispiel vor, dass Arbeitsplätze auf Gängen eingerichtet werden. Dies bedeutet aufwändige Planung punkto Sicherheit und Denkmalpflege. Das Mobiliar muss aufwändig bis ins Detail geplant werden. Es reicht nicht mehr, Standardbänke und -Stühle reinzustellen, wie noch vor wenigen Jahren.

MAKK: Wohin entwickelt sich die Schule der Zukunft? Und wie wirkt sich das auf die Einrichtung aus?

Tobias Moser: Neue Lernformen und Ganztagesbetreuung benötigen Raum. Und weil Bauland für neue Gebäude rar ist, werden die Schulzimmer mehrfach genutzt, die Gebäude aufgestockt und erweitert. Die Schulmöbel werden flexibler und mobiler, so sind sie in unterschiedlichen Situationen und für neue Lernformen einsetzbar. Wir richten gerade sogenannte Lernateliers ein. Hier haben die Schüler keine fixe Schulbank mehr, sondern bewegen sich frei in den ihnen zur Verfügung stehenden Räumen. Der Inputraum hat zwar immer noch eine Frontalbestuhlung, die Ateliers sind jedoch individueller gestaltet. Anstelle von klassischen Klassenzimmern gibt es Lernwelten, in denen auch mehrere Klassen untergebracht werden können.

MAKK: Wie viel Spielraum bleibt Ihnen als Innenarchitekt und Designer, sich kreativ einzubringen?

Tobias Moser: Es gibt immer wieder spannende und kreative neue Projekte. Nebst den vertraglich geregelten Produkten können wir tolle neue Möbel und ganze Einrichtungen entwickeln. Zusammen mit Architekten, Pädagogen und weiteren Experten entwerfen wir Stühle und manchmal auch die gesamte Ausstattung eines Schulhauses. Dies macht meine Arbeit sehr interessant. Kürzlich konnte ich für die Tagesschule Neubad eine Liegewiese für den Ruheraum im Kindergarten entwerfen. Die Liegematten in Form von blauen Puzzleteilen haben einen Schaumstoffkern und aussen eine spezielle PVC-Beschichtung. Die einzelnen Teile lassen sich platzsparend in einer Ecke verstauen. So bleibt der Raum vielseitig nutzbar. Und die Kinder freuen sich über die verspielte Form der Matten. Es muss nicht immer alles rechteckig sein.

MAKK: Wenn wir gerade bei Formen und Farben sind: Wenn Sie ein Schulzimmer in einer einzigen Farbe streichen müssten: Welche wäre das?

Tobias Moser: Ich würde die Zimmer neutral halten, also in Weiss. So können die Nutzer den Raum nach eigenen Vorlieben mit Möbeln, Bildern oder Pflanzen persönlich gestalten und farblich akzentuieren. Vereinzelt haben wir auch zurückhaltende Farbtöne eingesetzt. Diese helfen beim Zurechtfinden in den doch grossen Schulhäusern, also blaue Etage, rote Etage und so weiter.

Tobias Moser, Projektleiter Mobiliar Schulen
Tel. +41 61 267 56 37
Mobile +41 79 781 90 97
tobias.moser@bs·ch
www.bs.ch

Erziehungsdepartement des Kantons Basel Stadt
Zentrale Dienste, Raum und Anlagen
Leimenstrasse 1
4001 Basel

Das Mobiliar-Team ist der Fachstelle Schulen unterstellt und wird von Judith Kuhn geleitet. Die Fachstelle ist angeschlossen an das Erziehungsdepartment Basel-Stadt, Zentrale Dienste, Raum und Anlagen. In der Mobiliarabteilung sind drei ProjektleiterInnen für das Mobiliar an den Basler Schulen verantwortlich.