Weg vom Schulzimmer, hin zu Lernwelten: Netzwerkanlass 26.10.2023

10.11.2023 - Design, Menschen, Schulhaus-Garderoben

Artikel von Beate Kurth

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Am 26. Oktober 2023 lud die MAKK AG zum Netzwerk-Anlass «Schulraumentwicklung und Raumgestaltung» ein, um dieses Thema mit ExpertInnen zu beleuchten. Rund 60 Interessierte waren in der Giesserei Oerlikon zu Gast und erlebten inspirierende Fachreferate. Auch der lebhafte Austausch zwischen den ExpertInnen und den fachkundigen Teilnehmenden im Anschluss an die Referate vermittelte weitere neue Impulse - und genau das war das Ziel dieses Events.

Schulraumentwicklung meint auch die Entwicklung von Lebensräumen. Bildung und Freizeit, Lernen und Ausgleich, Schule und Zuhause verschmelzen. Lernräume stehen in wechselseitiger Beziehung zu Lernzielen und Lernmethoden. Neue Lernmethoden bedingen somit auch räumliche Anpassungen. Und nebst quantitativen Anforderungen an Schulräume und deren Umgebung stehen qualitative Bedürfnisse im Fokus. Zudem sind Schulen Orte des Wissens, der Entwicklung und des sozialen Zusammenhalts.

«Schulraumentwicklung meint auch die Entwicklung von Lebensräumen.»


Emilio Melliger
, CEO der MAKK AG und Initiant des Events, eröffnete den Anlass und erläuterte weshalb die MAKK sich mit diesem Thema auseinandersetzt:

Schulgarderoben sind ein oft unterschätzter, aber entscheidender Bestandteil dieses Bildungsumfelds. Denn es sind Begegnungszonen, es sind Lebensräume. Sie sind der erste und letzte Ort, den Schülerinnen und Schüler während ihres Schultags aufsuchen. Hier beginnt der Morgen und hier endet der Tag. Deshalb ist MAKK davon überzeugt, dass dieser Raum weit mehr sein sollte als nur ein Aufbewahrungsort für Schuhe, Jacken und Rucksäcke. Die MAKK beschäftigt sich damit, wie Schule auf dem Flur, da wo unter anderem Garderoben und Spinde platziert sind, stattfinden kann.

Am Netzwerk-Anlass sollten nicht nur die ästhetischen Aspekte der Raumgestaltung beleuchtet werden, sondern vor allem die pädagogischen und sozialen Implikationen, die sich aus einer durchdachten Schulraumentwicklung ergeben. Wie agieren Schule und Raum miteinander, um ein optimales Lernumfeld zu schaffen?

Die drei Fachreferate vertieften die Frage, wie Räume den vielfältigen methodischen Unterrichtskonzepten gerecht werden können – heute und in Zukunft. Sie konzentrierten sich auf die Hauptthemen:

  • Bedarfsermittlung: Was sind die Bedürfnisse an die Schulraumgestaltung?
  • Design und Gestaltung: Welchen Einfluss hat Design auf das Lernen?
  • Praktische Umsetzung: Was sind die Praxiserfahrungen mit neuen Lernräumen?

«Es braucht nicht viel Einrichtung, aber Freiraum zum Lernen.»

 

Im ersten Referat Schulraumentwicklung Mit-Wirkung – Gemeinsam bedürfnisgerechte Lernwelten entwickeln von Katharina Lenggenhager, Architektin und Schulraumentwicklerin (www.schulraumentwicklung.ch), lag der Fokus auf der Vereinbarkeit von Nutzerbedürfnissen mit zukunftsfähigen, gesetzeskonformen und nachhaltigen Lösungen. Basis der Schulraumentwicklung sei das pädagogische Konzept.

Dieses habe Auswirkungen auf die Anforderungen an räumliche Bedingungen – quantitativer wie qualitativer Art. Das hohe Verständnis von pädagogischen Entwicklungen sowie baulicher Prozesse und Inhalte würden im Projekt Schulraumentwicklung die unterschiedlichen Perspektiven zu einem nachhaltigen Ganzen verbinden: dem Lern-, Lehr- und Lebensraum Schule. Sie schloss mit dem Fazit «Schule muss wachsen».

«Architektur darf beim Lernen nicht stören.»

 

Caroline Spirig, Psychologin und Interior Designerin (www.raumreaktion.ch), verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz in der Transformation von Arbeitsräumen in Umgebungen, die der Kultur und den Bedürfnissen der NutzerInnen gerecht werden.

Sie unterstrich in ihrem Referat «Design an der Schnittstelle von Mensch, Bildung und Raum» mit eindrücklichen Beispielen, welchen Einfluss Design auf das Lernen hat und wie «future skills» durch das Design gefördert werden können. Bildung basiere auf Musse (altgriechisch «scholé»). Lernen sei nur in einer Situation möglich, die diese Musse auch zulässt. Und das sei in der heutigen Zeit eine grosse Herausforderung. Fehlende Zonen und starre Grundrisse würden heutige Lehr- und Lernmethoden behindern. Ihr Fazit: «Man fühlt den Einfluss von Architektur, selbst wenn man ihn nicht sehen kann.»

«Von der belehrenden Schule zur lernenden Schule»

 

Reto Thöny, ehemaliger Vizedirektor der Stadtschule Chur, gab in seinem Referat «Dem Lernen Raum geben» Einblicke in das von ihm entwickelte «Churermodell» (www.churermodell.ch), welches weit über die Landesgrenzen hinaus Beachtung findet, denn: Die Flurschule des 19. und 20. Jahrhunderts hat ausgedient, weil die Pädagogik ausgedient hat, die dahintersteht.

Reto Thöny erläuterte an vielen anschaulichen Praxisbeispielen, wie Schülerinnen und Schüler von einer Schulzimmergestaltung profitieren, welche verschiedene Lehr- und Lernmethoden unterstützt. Das Schulzimmer wird zur Lernlandschaft mit unterschiedlichen Arbeitsplätzen, welche die Schülerinnen und Schüler selbst wählen können. Die Wandtafel ist nicht mehr der dominante Ort im Schulzimmer, sondern der Kreis.  Reto Thöny betonte hierbei, dass Schulraum nicht verbaut werden soll: «Wenn man heute eine Schule baut, muss sie übermorgen noch passen!»

«Der Raum als dritter Pädagoge»

 

Das verbindende Element zwischen den drei beeindruckenden Präsentationen war die Betonung des «Raumes als dritter Pädagoge». Der Raum wird als der „dritte Pädagoge“ bezeichnet, weil er eine aktive Rolle in der Bildung spielt. Dieses pädagogische Konzept betont die Wichtigkeit der Umgebung als Lernwerkzeug und schafft eine inspirierende, anregende Umgebung für Lernende, in der sie aktiv lernen und entdecken können.

Beim anschliessenden Apéro Riche fanden viele angeregte Gespräche unter den fachkundigen Teilnehmenden aus unterschiedlichsten Branchen statt. Die Vielfalt der Anwesenden spiegelte die breite Relevanz des Themas wider. Es war beeindruckend zu sehen, wie leidenschaftlich sich Menschen aus unterschiedlichen Bereichen für die Gestaltung von Schulräumen engagieren.

Ein herzliches Dankeschön gebührt nicht nur unseren herausragenden FachreferentInnen fürs Teilen ihres grossen Wissens und ihrer Erfahrungen, sondern auch allen Teilnehmenden, die durch ihr aktives Engagement zu diesem inspirierenden Event beigetragen haben.

Wir freuen uns bereits heute auf kommende Begegnungen und den weiteren Austausch in diesem zukunftsweisenden Thema.